Bereits vor der Matura überlegte ich mir, wie ich meine Zukunft gestalten sollte. Direkt Uni mit Aufnahmeprüfung? – nein, zu stressig. Einfach irgendwo arbeiten? – nein, nicht bedeutungsvoll genug. Reisen? – klar, wieso nicht!
Hätte mich jemand vor ein paar Monaten gefragt, wo ich mich in meinem Gap Year sehe, wäre Finnland nicht in meinem kühnsten Traum die Antwort gewesen. Umso überraschender war meine schnelle Entscheidung und spätestens beim Bewerbungsinterview wurde mir bewusst, dass dieses Land im hohen Norden – bis dahin meiner Meinung nach eher unspektakulär – meine neue Heimat für neun Monate werden würde.
Inzwischen sind bereits fünf Monate meines Aufenthaltes vorbei und ich bin wahrlich gewachsen. Vor allem meiner Arbeit und Finnland ist meine Persönlichkeitsänderung geschuldet. Oft scherzen ich und meine Arbeitskollegen*innen darüber, dass wir alle „nur Jugendarbeit“ machen. Doch es steckt sooo viel mehr dahinter. Ich arbeite im Internationalen Department mit, helfe bei Workshops, Events und Seminaren sowie mit der Planung und dem Management und komme dadurch täglich mit NGOs und Jugendarbeiter*innen aus der ganzen Welt in Kontakt.
Noch prägender jedoch: Ich arbeite in der Naturschule. Im Rahmen verschiedenster Workshops verbringe ich ganze Tage in purer finnischer Natur mit einer Mission: eine wertvolle Bildung für Kinder, Jugendliche sowie auch Erwachsene zu ermöglichen und sie dazu motivieren, den Planeten fair zu behandeln.
Tatsächlich liegt auch in genau diesen Tätigkeiten der Grund für meinen Persönlichkeitswandel. Von ständigem Büffeln und der Matura zum täglichen Leben in und mit der Natur. Vom Schreibtischmenschen zum Naturmenschen. Täglich gefördert und gefordert, unserer Erde eine Überlebenschance zu geben und meine Mitmenschen ebenfalls dazu zu motivieren. Hier zu sehen, wie sehr die Natur leidet, weckte den Kampfgeist in mir und ich realisierte, welch realitätsferne Gewohnheitstiere wir sind. Wieso setzen wir uns nicht bewusst für unseren Planeten ein? Weniger Plastik, Strom sparen und Wasser aus – so schwer kann es doch nicht sein, nicht wahr? Sind wir wahrlich nur zu faul, oder lassen wir unsere Zukunft bewusst den Bach runterrinnen (zumindest rinnt er noch 😉)?
Falls ich euer Interesse geweckt habe – in Finnland stieß ich auf interessante Studien, deren Recherche ich jedem*r nur ans Herz legen kann – die Studien bezüglich des aktuellen Stands der Planetary Boundaries aus Stockholm. Diese Studien machen es nochmals klarer, wie akut die Erde unsere Hilfe benötigt. (Planetary boundaries – Stockholm Resilience Centre)
Doch die Arbeit ist nur Teil des Grundes für meinen Persönlichkeitswandel. Dessen Wurzeln liegen auch tief verborgen in dem unendlichen finnischen Wald, in welchem ich wohne, ca. 6 km von der Stadt entfernt. Diesem unendlichen Wald, in welchem ich spazieren und rennen gehe, dem sanften Meer, der rauen Kälte und der Polarnacht, welche mir oft das Gefühl gab, nie zu enden. Dieses Gefühl, der Natur ausgesetzt zu sein und mein dadurch entstandener immenser Respekt sind wichtige Faktoren für mein persönliches Wachstum. Aber auch mein Team soll erwähnt werden. Seit Tag 1 wurde ich als Teamkollegin angesehen, mit unfassbarer Herzlichkeit aufgenommen und gut versorgt, ob Essen oder Zeit für ein Gespräch, ich erfuhr bisher unendlich viel Unterstützung.
Doch eine spezifische Aussage hat mich besonders berührt und zum Umdenken gebracht. Ich, als kleiner Overthinker, kann die Meinung „Inzwischen kommt doch jegliche Hilfe sowieso zu spät“ wahrlich gut nachvollziehen. Doch in Villa Elba, Kokkola, habe ich dank eines Umweltspezialisten, mit dessen Worten ich diesen Blogeintrag schließen will, eine andere Zukunftsperspektive bekommen: „What endangers our planet is not only lazyness and disbelieve, it is mostly the lost faith in a better future. If we have faith in the future and put our might together – we will always be able to change it to the better.” (Nicht nur Faulheit und Ungläubigkeit gefährden unseren Planeten – es ist vor allem der verlorene Glaube an eine bessere Zukunft. Wenn wir an eine bessere Zukunft glauben und unsere Kräfte vereinen, werden wir jederzeit dazu fähig sein, die Zukunft zu verbessern.)