Umwelt

Liebe UmweltschützerInnen*

Jugendportal Youth Reporterin Chiara Scherf liegt die Umwelt am Herzen. In einem kritischen Brief an UmweltschützerInnen sieht sie die Verantwortung nicht nur bei den KonsumentInnen alleine.

Irgendwann gab es den entscheidenden Punkt in eurem Leben, wo es so nicht mehr weitergehen konnte. War es eine Dokumentation, die ihr gesehen habt, Diskussionen im eigenen Umfeld oder einfach nur euer Hausverstand – ihr musstet euch endlich um die Umwelt kümmern. Ihr seid die Jungen, ihr und eure Nachkommen seid es, die am längsten mit den Folgen der Klimakrise – nennen wir sie doch einfach beim Namen – leben müssen.

Einige verfolgen vermutlich den vegetarischen oder veganen Lebensstil, leben möglichst minimalistisch, und verbreiten auf Instagram und Co Botschaften wie „Jeder kann seinen Teil zum Umweltschutz beitragen. Es liegt in deiner Hand!“  Und genau hier liegt ein entscheidender Punkt, der problematisch ist.

Es ist mehr als problematisch, die Ansicht zu verbreiten, wir könnten das Klima retten, indem wir seltener das Licht aufdrehten, unseren Plastikkonsum reduzierten und nur noch mit dem Zug reisen. Es ist mehr als problematisch zu meinen, es liege in der Hand der KonsumentInnen, wie der Markt sich verhält. Das ist falsch. Dadurch unterstützen wir nur die Großkonzerne und ignorieren dabei das wahre Problem. Das Problem sind die Leute an der Spitze der Menschheit, an der Spitze der Konzerne. Zum einen betreiben sie Greenwashing – sie trichtern uns ein, wir würden beim Kauf eines bestimmten Produktes der Umwelt etwas Gutes tun, was in Wahrheit aber gar nicht so ist (an dieser Stelle kann ich das Buch „Die grüne Lüge“ von Kathrin Hartmann empfehlen – dort wird genau dieses Thema angesprochen). Zum anderen sind Großkonzerne die wahren Umweltsünder. Warum?

Schauen wir uns zunächst die Ursachen des Klimawandels an. An oberster Stelle stehen die Landwirtschaft und die Fleischproduktion, gefolgt von den Abgasen – also dem Sektor Verkehr und darauf folgen die Energiewirtschaft und die Energieverschwendung.

Da könnte man ja meinen – gut, wenn wir kein Fleisch mehr konsumieren, nicht mehr fliegen und nur mehr das Wesentliche einkaufen, ist das Problem doch gelöst. Liebe UmweltschützerInnen, ihr vergesst dabei einen wesentlichen ökonomischen Aspekt. Der Mensch neigt grundsätzlich dazu, nutzenmaximierend zu handeln. Sieht der Mensch zwei Angebote, entscheidet er sich wahrscheinlich eher für das kostengünstigere – Geld kann beiseitegelegt und in etwas Anderes investiert werden – so wird der Nutzen maximiert.

Der Bereich „Reisen“ ist ein gutes Beispiel für unser nutzenmaximierendes Handeln. Möchte ich von Wien nach Berlin reisen, bin ich nach einer guten Stunde Luftverkehr am Berliner Flughafen und das für gute 85€. Mit dem Zug wäre ich gute acht Stunden unterwegs und müsste womöglich einmal umsteigen – für einen Preis von 211€, wenn ich nicht rechtzeitig die Sparschiene (ab 29€) buche. Klar, könnt ihr hier die FlugpassagierInnen für diesen Kurzflug kritisieren. Ist ja irgendwo auch legitim. Sie könnten den Nachtzug nehmen, wären morgens in Berlin und würden sich sogar einmal zusätzliche Übernachtungskosten sparen. Sie müssten doch einfach nur früh genug buchen! Das Angebot für den billigen 1h-Flug ist für die Mehrheit aber einfach zu verlockend. Wie wäre es also, stattdessen die billigen Flugpreise und das schlecht ausgebaute Bahnnetz innerhalb Europas zu kritisieren? Suchen wir doch nicht immer die Schuld bei den Individuen.

Die Sichtweise, jedeR könne seinen Teil beitragen, ist außerdem sehr eurozentrisch. Es wird nur an Europa, vielleicht auch noch Amerika gedacht. Industrialisierte, wohlhabende Gesellschaften, können es sich oft leisten, auf klimafreundliche und oft teurere Varianten umzusteigen.  Auch wenn die Klimakrise von Industrienationen ausgeht, sind sie nicht allein davon betroffen.

Was es meiner Meinung nach also zusätzlich braucht, ist eine intensivere Kritik an der Klimapolitik und an der Wirtschaft. Es braucht Alternativen, die nicht nur der privilegierten Gesellschaftsschicht vorenthalten sind. Gibt es Alternativen, darf es klimaschädliche Angebote gar nicht erst geben. Das liegt eben in der Hand der Wirtschaft. Es liegt auch in der Hand der EU, wie die Wirtschaft geregelt ist. Durch ihren Wirtschaftsliberalismus unterstützt sie auch die klimaschädlichen Großkonzerne. Es ist wie es ist. Auch wenn die EU gute Seiten hat, ist sie keine perfekte Union. Vor allem in dieser Hinsicht nicht. Wo verdammt, bleibt die Kritik an der EU?

Wir müssen die richtigen Parteien wählen und laut bleiben, unbedingt müssen wir laut bleiben. Auch wenn dieser Brief die Ansicht wecken mag, dass euer Aktivismus umsonst war, das war er nicht und das ist er nicht. Klimaschutz ist ein hochdiskutiertes Thema in den Medien – da braucht es aber auch einfach Stimmen, die den Großkonzernen an den Ohren ziehen. 10 Tipps für ein nachhaltigeres Leben sind zwar schön und gut, haben aber keinen langfristigen Effekt auf den Klimaschutz.

PS:
Ich will mit diesem Brief keineswegs sagen, dass es sinnlos ist, vegan, minimalistisch und plastikfrei zu leben. Auf keinen Fall. Ich finde es gut, wenn man selbst versucht, möglichst wenig Schaden auf dieser Welt zu hinterlassen. Falsch finde ich nur die Botschaft, wir Individuen könnten die Welt retten. Denn das können wir nicht. Nicht eingebettet in diesem Wirtschaftssystem.

Danke für euren Einsatz!
Chiara