ESK-Freiwilligendienst

Vom Land der Berge ins Land der Seen

Finnland. Ein Land, in welchem Sommer und Winter wie Tag und Nacht sind. Wo es zu Weihnachten nur zwei Stunden Tageslicht gibt und im Sommer das Licht nicht ausgehen will. Ein Land, in welchem ich ein Rentier gegessen habe, bevor ich überhaupt eins sehen konnte und dies als das normalste der Welt angesehen wurde.

Am 1. November 2020 startete für mich die Reise für meinen ESK-Freiwilligendienst von München nach Helsinki. Einige Kommunikationsschwierigkeiten gab es bereits, als ich mit einer anderen Projektteilnehmerin aus Frankreich auf den Anschlussflug nach Oulu wartete – dies verlangte mir während des gesamten Projekts einiges an Geduld ab. Kaum in Oulu gelandet, fuhren wir ca. 1,5h mit dem Taxi zu unserem Zielort Ylivieska. Unmittelbar nach der Ankunft startete für uns die 10-tägige Quarantäne.

Das Projekt „Ylivieska Nuorisopalvelut“ umfasst verschiedene Aktivitäten mit jungen Menschen, hauptsächlich mit jenen, welche das Jugendzentrum Sputnik 2022 besuchen. Im Jugendzentrum ist man als Freiwillige dafür verantwortlich, die Snacks vorzubereiten und den Mitarbeitern des Jugendhauses unter die Arme zu greifen, beispielsweise beim Vorbereiten verschiedenster Spiele (Kahoot, Just Dance, etc.). Aber man stellt auch manchmal selbst ein Programm zusammen (Kinder vs. Freiwillige in Tischfußball). Man fungiert auch als Aufsichtsperson in den zahlreich vorhandenen Clubs mit Musik, Gaming oder Basteln.

Das oberste Gebot des Jugendzentrums ist es, den Kindern und Jugendlichen einen sicheren Platz zu bieten, ein offenes Ohr für alle Probleme zu haben und gratis Essen und Trinken zur Verfügung zu stellen. Die Kinder schätzten unsere Arbeit sehr und Sputnik 2022 entwickelte sich, speziell bei der Wiedereröffnung Ende April, als Hotspot für Jugendliche.

Weiteres zählte es zu meinen Aufgaben die lokale Hauptschule mindestens 2x wöchentlich zu besuchen. Wir bereiteten verschiedenste Spiele vor, wobei Geschicklichkeit und Köpfchen gefragt war – Preise konnten die Schüler in Form von Süßigkeiten oder Gutscheinen für Hamburger oder Eis ergattern.  Außerdem durfte ich den Deutschunterricht besuchen und Präsentationen über Österreich, Familie und Traditionen abhalten.

Im Sommer machte mir die Arbeit am meisten Spaß, denn die themenbezogenen (Natur & Recycling, Tiere & Physik) Sommercamps starteten. In den Camps hatten wir die Aufgabe, Kennenlernspiele vorzubereiten und auszuführen. Im Verkehrs-Go-Kart-Park und auf dem Minigolfplatz konnten wir während des Arbeitens richtig schön braun werden.

Egal ob am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, die finnische Sprache war anfangs ein riesiges Problem für mich. Dank den wöchentlichen Finnisch-Stunden mit einer privaten Lehrerin war die Kommunikation am Ende meines neunmonatigen Projekts viel entspannter und ich konnte mich tatsächlich verständigen und einige Worte und Zusammenhänge verstehen.

Ein absolutes Highlight waren immer die monatlichen Aktivitäten mit der anderen Freiwilligen aus Frankreich und meiner Finnisch-Lehrerin, die zugleich die Rolle als Mentorin einnahm. Wir konnten frei unsere Wünsche äußern und somit gingen wir beispielsweise durch einen verschneiten Wald reiten, in eine traditionelle Smoke Sauna, Husky-Schlitten fahren oder fuhren mit dem Auto über das vereiste Meer zu einer Insel.

Meine Freizeit hingegen gestaltete ich je nach Jahreszeit anders. In den sehr kalten Wintertagen vermieden wir es rauszugehen, denn das Wetter machte uns sehr müde und hungrig. Es fehlte uns auch an Motivation, uns oft im Zwiebellook anzuziehen. Da wir aufgrund von Corona leider nicht die Gratismitgliedschaft im Fitnessstudio ausnutzen konnten, bekamen wir Langlaufski und nutzten die nahegelegene Strecke aus. Schneewanderungen durch die schöne Schneelandschaft mit anschließendem Saunabesuch und Makkaragrillen (=Wurst) standen fast wöchentlich auf der Liste. Ein absolutes Highlight war das „normale“ Skifahren in Lappland mit Übernachtung in einem Glas-Iglo, wobei ich das erste und letzte Mal Nordlichter sehen konnte. Ansonsten backten und kochten wir viel in den kalten Monaten und nutzen unsere Büchereikarte aus, um Filme und Bücher auszuleihen.

Die Sommermonate hingegen verbrachten wir hauptsächlich auf unseren Fahrrädern und erkundigten bis spät abends Ylivieska. Die naturbezogene Lebensweise wurde im Sommer bestärkt, denn wir machten kleine Wanderungen oder verbrachten ein paar Tage in einer Hütte mit kaum fließendem Wasser und einem Plumpsklo. Während unseren Reisen in verschiedene Städte Finnlands konnten zahlreiche Museumsbesuche nicht vermieden werden.  Mit langen Hosen, Gummistiefeln und einer Mückennetz-Jacke machten wir uns im Wald auf die Suche nach Blaubeeren, doch die zahlreichen Mücken machten uns bei Outdoor-Aktivitäten oftmals einen fetten Strich durch die Rechnung.

Mein Fazit zum ESK-Freiwilligendienst ist, dass ich um einiges über mich hinausgewachsen bin. Alleine in ein fremdes Land zu ziehen, die lokale Sprache nicht sprechen zu können und zum ersten Mal einen ganz eigenen Haushalt zu führen war zu Beginn recht heraufordernd. Jeder Tag gestaltete sich anders und es war sehr interessant zu sehen, wie die Lebensweise, verglichen zu Österreich, ist, angefangen vom Schulsystem bis hin zu den Verhaltensweisen. Großartig fand ich auch immer die Zusammenkünfte der anderen Freiwilligen, den Austausch und das „voneinander Lernen“. Ich bin froh, dass ich mir in Finnland ein Netzwerk aufbauen konnte und einige Menschen recht schnell ins Herz schließen konnte – ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen!