ESK-Freiwilligendienst

Ein Jahr Bauernhofleben in Südschweden

Anna-Lena berichtet von ihrem ESK-Freiwilligendienst auf einem Bauernhof im Süden Schwedens.

Warum Schweden?

Es schien für mich genau das Richtige zu sein, nach der Matura ins Ausland zu gehen und mich dort als ESK-Freiwillige zu engagieren. Wohin und was genau wusste ich nicht gleich, doch ich war mir ziemlich sicher, dass die Reise in den Süden gehen würde. Viel Sonne, warmes Wetter, keine eisig kalten Winter etc.

Doch da hatte ich mich geirrt – es war, als ich zufällig über ein unglaublich cooles Farmprojekt in Schweden stolperte, als ich meine Einstellung sofort wieder überdachte. Naja, zumindest war es im Süden Schwedens. Es war eines der wenigen Projekte, bei denen man mit Menschen UND Tieren zu tun hatte. Obwohl es sehr begehrt wirkte, bewarb ich mich einfach auf gut Glück und bekam dann tatsächlich die Stelle.

Am 2. September 2021 ging es dann los – ich kam am Nachmittag in Växjö an und lernte schon gleich meine vier Mitbewohnerinnen kennen. Die Vibes stimmten von Anfang an und ich wusste, dass es ein unvergessliches und wunderschönes Jahr werden würde.

Mein Projekt: die 4H-Farm

Die 4H-Farm ist eine nicht profitorientierte Organisation, die vor allem darauf abzielt, Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu Natur, Tieren und dem Bauernhofleben zu ermöglichen. Auf der Farm hatten wir deswegen immer viele Besucher*innen. Meistens waren es Familien und Schulklassen, aber auch Kinder, die in ihrer Freizeit regelmäßig zu uns kamen und auch selbst mit anpacken durften.

Neben dem Organisieren von Freizeitaktivitäten und Führungen für die Kinder stand auch täglich das Versorgen der Tiere an, wobei das Ausmisten definitiv am meisten Zeit in Anspruch nahm. Machte man es zusammen mit einer anderen Person, entstanden oft die lustigsten – teilweise sogar sehr tiefgründigen – Gespräche. Weitere meiner Aufgaben waren Gartenpflege und Ackerbau sowie das Bauen und Reparieren von Zäunen, Gehegen, kleinen Ställen etc.

Es war also viel körperliche Arbeit und noch dazu hauptsächlich im Freien. Und auch wenn ich es oft als nervig und kräftezehrend empfand, im Winter bei -15°C (oder sogar weniger) täglich mehrere Stunden draußen zu sein, so war es doch gleichzeitig schön und erfüllend. Und ein Vorteil war, dass ich die wenigen Stunden Tageslicht komplett ausnutzen konnte. Zusammen mit Vitamin-D-Präparaten war ich gegen die nordische Winterdepression bestens gewappnet.

Unsere Villa Kunterbunt

Umso schöner war es, nach einem kalten Tag nach Hause zu kommen, gleich Tee aufzukochen und dann im Wohnzimmer unter mehreren Decken vergraben ein kurzes Powernap zu machen. Ich wohnte mit anderen Freiwilligen aus verschiedenen Organisationen zusammen in einem Haus (wir nannten es „die Villa“) in einer idyllischen Nachbarschaft mit vielen roten Häuschen.

Mit der Wohnsituation waren wir unglaublich zufrieden. Växjö, die Stadt, in der wir lebten und arbeiteten, ist eine mittelgroße Stadt mit einem kleinen, süßen Stadtzentrum und mehreren Seen drum herum. Auch wir hatten einen großen See zwei Minuten von unserer Haustür entfernt. Den ganzen Frühling und Sommer über konnte man uns täglich dort finden. Wir gingen schwimmen, sonnten uns am Steg, lasen unsere Bücher oder redeten einfach. Und an schönen Abenden das ganze Jahr über war es unser Ritual, zum Sonnenuntergang zum See zu gehen. Oft kam es vor, dass wir unser warmes Essen am Tisch stehen ließen, weil jemand aus dem Fenster schaute, aufgeregt aufsprang und alle anderen aufforderte mitzukommen, um den rot-pink-lila Himmel zu bewundern.

Schweden – zweite Heimat, oder wie?

Es ist erstaunlich, wie kurz es nur gedauert hatte, bis wir uns in Växjö zuhause fühlten und unsere Villa zum „sweet home“ wurde. An sich würde ich nicht sagen, dass Schweden so unterschiedlich zu Österreich ist, aber dennoch gab es einige Dinge, die uns anfangs ein wenig verwunderten und uns dann dafür umso mehr ans Herz gewachsen sind.

Was mir am meisten gefallen hat, ist das relaxte schwedische Mindset mit Gelassenheit als erstes Gebot. Egal ob bei der Arbeit, im Einkaufszentrum oder sogar im Straßenverkehr, die Schweden schienen nie gestresst oder in übertriebener Eile zu sein. So war es üblich, anstatt Gedränge an der Kassa zu verursachen, das eine Mal jemand anderem den Vortritt zu lassen und dafür beim nächsten Mal ebendiesen angeboten zu bekommen. Auch noch nie zuvor hatte ich so viele entspannte und rücksichtsvolle Autofahrer*innen gesehen – es wird kaum herumgehupt und Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen wird beinahe IMMER den Vorrang gegeben.

Auch dass wir so schnell und gut Schwedisch lernten, trug wahrscheinlich dazu bei, dass wir uns so wohl fühlten und uns auch bei der Arbeit oder anderen sozialen Settings nie ausgeschlossen fühlten.

Städtetrips und Co.

Unsere freien Tage nutzten wir, um verschiedene Ecken des Landes zu erkunden und andere Freiwillige in Schweden zu besuchen. Mittsommer feierten wir auf Öland, einer Insel in der Ostsee. Dort gibt es meiner Meinung nach die schönsten Strände in ganz Schweden – naturbelassen, nicht überlaufen und teilweise laufen dort sogar einfach Kühe herum!! 🙂

Im Winter reisten wir mit dem Nachtzug nach Lappland. Die Fahrt dauerte 23 Stunden und schaute man aus dem Fenster, sah man gelegentlich Rentiere und Elche. Das war sicher der eindrucksvollste und magischste Trip, den wir zusammen unternahmen. Eine Woche lang waren wir dort und genossen die sauberen, unberührten Schneelandschaften und fast jeden Abend konnten wir die Polarlichter beobachten. Es war ein Kindheitstraum, der hier in Erfüllung ging.

Was hat‘s mir gebracht?

Neben vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken, habe ich auch gelernt, meine Komfortzone zu verlassen, selbstständig zu sein und wie es ist, als Fremde in ein neues Land zu kommen. Noch dazu habe ich so viele nette und inspirierende Menschen kennengelernt und schöne Erinnerungen gesammelt. Vor allem für meine Mitbewohnerinnen bin ich dankbar. Wie eine kleine Familie sind wir zusammengewachsen, haben den dunklen Winter gemeinsam überstanden, viel zusammen gelacht und waren immer füreinander da, wenn jemand es brauchte.

Für mich war es die ideale Auslandserfahrung und ich würde alles wieder genauso machen!