Im Ländle

Landtagswahl in Vorarlberg: So informierst du dich richtig

Die Politologin Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle gibt im Interview mit Lucas Ammann Auskunft über das Thema „Meinungsbildung“, wer und was auf unsere Meinung überhaupt einen Einfluss hat und wie man sich im Vorfeld einer Wahl richtig informiert.

Können Sie das Thema Meinungsbildung kurz umreißen?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Da muss ich jetzt an die Politische Bildung denken. Und dort geht es darum, sich ein Urteil zu bilden. Und das wiederum hat viel damit zu tun, dass ich Vorurteile entlarve. Das finde ich das Wichtigste: Wir bekommen tagtäglich Meinungen und Fakten präsentiert und die Kompetenz, erkennen zu können, ob etwas plausibel und glaubhaft ist, wird immer wichtiger.

Es gibt ja verschiedenste Mittel, die die Meinung von Menschen beeinflussen können. Welche Faktoren führen zu so einer Meinungsbeeinflussung? Und wie stark ist der Einfluss des Internets und der sozialen Medien?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: In den letzten Jahren habe ich eine deutliche Verhaltensveränderung bei der Informationsbeschaffung festgestellt. Früher war es eher so, dass man sich eine Zeitung genommen hat und nachgesehen hat, was am Vortag auf der Welt alles passiert ist. Das könnte man auch so im Internet machen – wenn man dies einmal so eingelernt hat.

Wenn ich heute mit meinen Studierenden spreche, wie sie sich informieren, komme ich zum Schluss, dass sich diese nicht mehr so wie früher aktiv informieren. Das heißt, es wird nicht gesucht, was einen interessiert und wichtig ist, sondern es wird gesagt: ‚Was relevant für mich ist, das wird mich finden.’ Was aber schon ein Unterschied zu klassischen Medien ist, ist, dass durch Algorithmen gewisse Teile komplett ausgeblendet werden. Es kann beispielsweise sein, dass sich jemand nicht für Kultur interessiert. Wenn man eine Tageszeitung durchblättert, bleibt man vielleicht doch an so mancher Überschrift oder einem Bild hängen und bekommt zumindest ein bisschen etwas mit. Aber diese neuen Medien blenden Themen, die nicht unbedingt in den Interessensbereich einer Person fallen, komplett aus. Das ist schon eine bedenkliche Tendenz.

Was man auch nicht vergessen darf: Meinung wird auch ganz oft über Unterhaltungsformate gebildet. Zum Beispiel, welche Gesellschaftsbilder Serien transportieren, ist ein wichtiger Punkt.

Finden Sie, die gezielte Informationsbeeinflussung durch Algorithmen ist eine Gefahr?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Es muss schon klar sein, dass Informationen immer schon gefiltert und sortiert wurden. Auch Zeitungen machen das. Früher war Österreich geprägt von parteipolitischen Zeitungen. Ich würde also nicht sagen, dass die Information früher so objektiv war, wie wir heute oft glauben. Was sich schon verändert hat, ist, dass man nicht mehr über alle Themen informiert wird – das finde ich schade.

Natürlich hat das Verharren in einer Meinungsblase eine Gefahr in sich. Das ist auch früher passiert – vor allem in der ersten Republik. Da hat es eine starke Radikalisierung gegeben. Es kommt dann, dass man irgendwann den anderen in der anderen Blase überhaupt nicht mehr versteht und auch in seine Ansichten so bestärkt wird, dass man bereit ist, radikal für etwas zu kämpfen. Das hat schon einmal zu einem Bürgerkrieg geführt. Ich will zwar jetzt nicht sagen, dass das auch jetzt passieren wird, aber es sind Tendenzen da, dass man das gemeinsame Ganze aus dem Blick verliert.

Der Unterschied zu früher ist, dass man heute die Blasen wechselt. Aber die Gefahr ist trotzdem da. Wir sehen, dass es Gruppen gibt, die hetzen oder aufgehetzt werden.

Was ist ihr Rezept gegen Fake News? Vor allem für Jugendliche, die meist noch wenig Erfahrung haben, zu erkennen, was richtig und falsch ist?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Also meine Erfahrung ist, dass Jugendliche meist sehr skeptisch sind, wenn sie übers Handy Informationen erhalten. Ältere Menschen sind da eher in Gefahr, dass sie alles glauben. Gerade auch SeniorInnen gehen mittlerweile auf Facebook und sind auch dort viel leichtgläubiger. Die jungen Menschen sind mit diesen modernen Technologien aufgewachsen und haben zumindest meistens eine recht gute und kritische Distanz zu dort erscheinenden Inhalten.

Wichtig ist nicht nur, zu wissen, was richtig und was falsch ist, sondern auch zu erkennen, wie mit Emotionen gearbeitet wird. Gerade Social Media bietet die Möglichkeit, mit Emotionen zu arbeiten und nicht so sehr mit Fakten. Da gibt es verschiedene Konzepte, die sich auch die Politik zu Nutze gemacht hat.

Wie reagieren denn die Menschen auf das Schüren dieser Emotionen?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Selbst wenn Menschen im Nachhinein erkennen, dass Informationen, die in den Sozialen Medien geteilt wurden, falsch sind, bleibt bei den ihnen ein Gefühl, das dazu führen kann, dass sie sich einer Gruppe zugehörig fühlen. Weil es beispielsweise einfach ‚cool‘ ist, sich über etwas oder jemanden zu ereifern.

Haben Sie Tipps, wie man Falschnachrichten erkennt?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Ja, natürlich. Ich kann zum Beispiel, wenn ich ein Foto überprüfen will, das Bild bei einer Suchmaschine suchen. Oder, dass ich misstraue, wenn jemand schreibt, ‚das ist noch nirgendwo gestanden’ oder ‚das verheimlichen uns die Medien’. Wenn das tatsächlich wahr wäre, hätte es ein Medium längst gebracht. Es kann beispielsweise passieren, dass ein Journalist nachrecherchiert hat und festgestellt hat, dass etwas einfach nur ein Hoax war und er es deshalb nicht gebracht hat. Zudem kann durch das Impressum auch im Internet überprüft werden, woher die Quelle stammt. Generell kann ich empfehlen, einfach zu schauen, ob Aussagen plausibel wirken.

Wir sind in der Phase, wo die Plakate zur Nationalratswahl noch hängen, die zur Landtagswahl in der heißen Phase sowieso: Welchen Einfluss hat denn konventionelle Wahlwerbung noch und welchen Unterschied ist in den Altersschichten zu erkennen?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Interessanterweise gibt es Untersuchungen, die zum Ergebnis kommen, dass gerade junge Menschen Wahlplakate sehr stark wahrnehmen. Jugendliche sind in der Schule, fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln – die sehen das viel mehr wie ältere Menschen oder mittelalte Menschen, die Autofahren. Die Plakate sind Massenmedien – man kann nicht für jede Zielgruppe ein anderes Plakat drucken. Aber sie erreichen einerseits vor allem Menschen, die sich sonst gar nicht für Politik interessieren. Diese Personengruppe wird auf die Wahl aufmerksam gemacht. Und zweitens ist ein Plakat ein Signal an die eigenen Anhänger einer Partei – sie fordern die WahlkämpferInnen auf, zu mobilisieren.

Wieso sehen wir auf Österreichs Straßen eine so hohe Anzahl an Wahlplakaten?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Dass wir in Österreich Plakate haben, hat verschiedenste Gründe: Erstens, weil die Parteien sehr viel Geld haben – sie bekommen eine hohe Parteienförderung und früher auch eine hohe Wahlkampfkostenförderung. Es gab eine Zeit, da durfte man im ORF keine Wahlwerbung schalten – und die Privatsender waren zu klein. So investierten die Parteien ihr Geld einerseits in Inserate, aber eben auch in Plakatwerbung. In den USA gibt es zum Beispiel keine Plakate, weil das Geld alles in die Fernsehwerbung fließt. Ich glaube, die Zukunft liegt im Bewegtbild und nicht so sehr in großen Plakaten.

Bei der vergangenen Nationalratswahl hatten wir die zweitniedrigste Wahlbeteiligung – zwar immer noch bei 76 Prozent – aber: Woran mag das liegen?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Wir haben jetzt sechs Wahlen innerhalb von 41 Monaten gehabt – dazu kamen noch diverse regionale Wahlgänge. Aber das war eher weniger der Punkt. Die Wahlbeteiligung steigt immer dann, wann der Wähler das Gefühl hat, dass seine Stimme sehr wichtig ist – also es soll ein spannendes Rennen geben, was die Parteien auch immer wieder zu sagen versuchen. Je spannender das Duell an der Spitze, desto eher steigt die Wahlbeteiligung. Außerdem steigt die Wahlbeteiligung, wenn es viel Polarisierung – sprich viele Gegensätze – in der Gesellschaft gibt. Das war auch 2017 mit 80 Prozent Wahlbeteiligung der Fall – da gab es einfach diese ‚Wechselstimmung’. Das war eine Richtungswahl.

Ich finde, dass 76 Prozent Wahlbeteiligung immer noch sehr hoch und sehr zufriedenstellend sind. Eine sehr hohe Wahlbeteiligung ist übrigens kein gutes Zeichen, weil das meistens ein Abbild von vielen Streitereien ist und einer recht explosiven Mischung ist. Stabile Demokratien wie die USA und die Schweiz haben meistens nicht mehr als 50 Prozent Wahlbeteiligung. Je höher die Wahlbeteiligung, desto gefährlicher die Situation.

Wir wissen, dass sich ungefähr 2/3 der Bevölkerung zumindest halbwegs regelmäßig über Politik informieren. Das restliche Drittel wird dann halt sehr gerne mit Emotionen abgeholt.

Gibt es auch Situationen, wo eine niedrige Wahlbeteiligung negativ zu betrachten ist?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Ja, und zwar dann, wenn nicht alle Gesellschaftsschichten in ähnlichem Maße wählen gehen würden. Das heißt, wenn plötzlich nur noch die SeniorInnen wählen gingen und Jugendliche gar nicht mehr, müsste man sich das differenzierter ansehen.

Immer wieder ist von der Politikverdrossenheit von Jugendlichen – aber auch ganz generell – zu lesen. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Thema beziehungsweise mit Jugendlichen gemacht?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Ich finde, Jugendliche sind schon interessiert an der Politik – aber eher nicht an Parteipolitik. Sie sind nicht mehr so schnell zufrieden zu stellen: Sie haben höhere Ansprüche, auch an die Politik. Auch bei der Klimabewegung sehen wir wieder einen Politisierungsschub. Auch die Wahlbeteiligung ist bei Jugendlichen normalerweise überdurchschnittlich hoch. Aber junge Menschen haben vielleicht eher den Glauben und das Vertrauen in klassische Parteistrukturen verloren.

Was sagen Sie zu Jugendlichen in Ihrem Umfeld, wieso sie wählen gehen sollen? Oder anders gefragt: Was ist Ihr stärkstes Argument?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Eine Wahlstimme ist das mächtigste Mittel der BürgerInnen, Einfluss auf die Politik auszuüben. Ich sage immer: Jedes Volk hat die VolksvertreterInnen verdient, die es gewählt hat. Hinterher sich beklagen gilt sowieso nicht. Es ist außerdem oft sehr knapp: Auch bei dieser Nationalratswahl war es wieder eng bei den Wahlkartenstimmen – es sind sogar noch Mandate gewandert. Im Jahr 2013 hat in Kärnten bei der Landtagswahl eine Stimme über eine Mandatswanderung vom BZÖ zu den Grünen entschieden. Solche Dinge gibt es immer wieder. Man darf auch nicht vergessen: Wenn man nicht wählt, wird die eigene Stimme den Parteien so zugeteilt, wie die anderen gewählt haben.

Wie informieren sich Erstwähler im Vorfeld einer Wahl richtig?

Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle: Ich rate jungen Menschen immer, Zeitungen zu lesen – egal ob am Handy oder analog. Wichtig ist auch, das Medium immer wieder zu wechseln – da sind im Vorfeld einer Wahl Probeabos sehr hilfreich. Bei Wahlkonfrontationen bekommt man einen guten Eindruck von den Persönlichkeiten – ob sie sympathisch und vertrauenswürdig sind oder nicht. Was man nicht wirklich erfährt sind Inhalte – für das ist so ein Format nicht geeignet. Zahlreiche Informationen und Forderungen können hingegen auf der Webseite einer jeden Partei abgerufen werden.