AuslandESK-Freiwilligendienst

¡Viva la vida catalana!

Das Land der Strände, der „Siesta“, der heißblütigen Machos und der Unpünktlichkeit. Das typische Bild, das man eben von Spanien hat. Doch für mich ist Spanien (oder genauer gesagt Katalonien) das Land der Gastfreundschaft, der „Castellers“, der Demonstrationen und der „Fiesta“. Um nach der Matura und vor dem Studium noch etwas Luft im Ausland zu schnuppern, startete am 2. Oktober 2019 mein ESK-Freiwilligendienst in Katalonien, das eine Region Spaniens ist, aber eigentlich doch nicht richtig zu Spanien gehört. Verwirrt? War ich zu Beginn auch.

Ich wurde am Flughafen in Barcelona von Alba und Rita (meiner Mentorin) abgeholt. Um mich den spanischen Verhältnissen sofort anzupassen, kam ich brav eine Stunde zu spät (genaugenommen  kam mein Koffer zu spät). Danach fuhren wir Richtung Manresa, eine Kleinstadt im Herzen Kataloniens (mir wurde von Anfang an eingeschärft: „Cataluña no es España.“ Katalanen reagieren etwas empfindlich, wenn man sie mit Spaniern gleichsetzt). Die Kommunikation fand zu Beginn auf Englisch statt, denn meine kurz vor der Reise zugelegten Spanischkenntnisse waren nicht ausreichend für ein Gespräch und generell sprechen Katalanen eben bevorzugt Katalanisch.

Kurz nach meiner Ankunft lernte ich das Land im Ausnahmezustand kennen. Demonstrationen und Arbeitsstreiks fanden statt, denn Katalonien kämpft seit Jahren für die Abspaltung von Spanien. Doch jene Politiker, die für die Unabhängigkeit kämpften, sitzen nun im Exil oder Gefängnis. Gerade die ländlichen Teile Kataloniens sind Befürworter der Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes; auch in Manresa fand eine riesige Demonstration statt. Mittendrin, oder genauer gesagt in den ersten Reihen, war unfreiwilligerweise ich. An diesem Abend lernte ich unzählige Schimpfwörter auf Spanisch kennen (denn Katalanen verwenden meist spanische Schimpfwörter, da sie ihrer Meinung nach „härter“ klingen) und erfuhr einiges über die Geschichte Kataloniens. Am Ende des Tages war ich mir sicher: Die Leute hier sind … anders.

Nachdem sich alles wiederum normalisiert hatte, ging der Alltag weiter. Ich arbeitete in einem Nachbardorf von Manresa und verbrachte viel Zeit im örtlichen Kindergarten. Ich arbeitete engagiert als Nachhilfe- und Deutschlehrerin und besuchte regelmäßig das angrenzende Altersheim. Ich wurde herzlich aufgenommen und alle bemühten sich, in irgendeiner Art und Weise mit mir zu kommunizieren, denn jeder sprach nur „un poco“ (ein bisschen) Englisch und so endete fast jedes Gespräch mit wildem „Rumgefuchtel“ in der Luft.

Die Sprachbarriere hinderte aber niemanden daran, mich zu diversen Aktivitäten einzuladen. Und so besuchte ich bereits zu Beginn meines Freiwilligendienstes eine traditionelle „Fiesta“, wo „Gegants“ (riesige, tanzende Figuren) auftraten und tauchte in die katalanische Kultur ein. Außerdem besuchte ich einen Katalanisch-Kurs und eignete mir mit Hilfe des Internets und diversen Büchern Spanischkenntnisse an. Und so lernte ich zwei Sprachen gleichzeitig und war bald darauf in der Lage, die Einheimischen zu verstehen.

Im November fand unser „On Arrival Training“ in Coma-Ruga, einem Dorf in Strandnähe, das hauptsächlich im Sommer bewohnt wird, statt. Bei verschiedenen Aktivitäten, wie ausgiebigen Spaziergängen an menschenleeren Stränden mit traumhaften Sonnenuntergängen oder auf verzweifelten nächtlichen Suchen nach einer geöffneten Bar (wir blieben bis zum Schluss erfolglos), lernten wir Freiwillige aus ganz Europa kennen.

Gerade in den ersten Wochen war die Zeit spannend und lehrreich. Spätestens nachdem ich diverse Überschwemmungen in der Küche, einen Stromausfall und einen Fahrraddiebstahl (vom Balkon!) hinter mir hatte, war ich abgehärtet. Ich lernte vieles über die spanische Mentalität. Zum Beispiel, dass es normal ist, drei Anläufe für den Aufbau eines Ikea Schranks zu benötigen, während der Arbeit mit seiner Familie zu skypen und am frühen Nachmittag die Stadt wie ausgestorben vorzufinden, weil sich die meisten an die „Siesta“ Zeiten halten.  Doch auch an das gewöhnte ich mich allmählich. Die über die Zeit hinweg erworbenen Sprachkenntnisse ließen irgendwann den Knoten platzen und eröffneten mir neue Türen. Ich wurde immer abenteuerlustiger.

Durch meine häufigen Besuche im Altersheim, zahlreiche Spielrunden und unzählige Gespräche, die ich nun führen konnte, erinnerten sich die meisten Bewohner an mich und freuten sich auf mein Kommen. Gemeinsam mit einem Arbeitskollegen organisierte ich ein kleines Weihnachtskonzert im Altersheim und sang das erste Mal alleine vor Publikum, nachdem der Versuch, einem Katalanen deutsche Weihnachtslieder beizubringen, kläglich gescheitert war. Außerdem feierten wir gemeinsam Fasching und verkleideten alle – mich eingeschlossen – was schlussendlich einen sehr amüsanten Anblick bot. Auch die Kinder der Schule und des Kindergartens schloss ich immer mehr ins Herz. Ich erfuhr durch sie viel über die katalanischen Traditionen und war beim jährlichen Wandertag dabei. Um meine Sprachkenntnisse weiter auszubauen, machte ich regelmäßig ausgiebige Spaziergänge mit einem Deutsch lernenden Peruaner und traf mich mit unserer Nachbarin, die uns Freiwillige unterstützte oder einfach mal auf eine „Coca“ (katalanisches Gebäck) einlud.

Außerdem verbrachte ich gemeinsam mit einer anderen Freiwilligen immer mehr Zeit bei den „Castellers“. Dabei handelt es sich um einen typisch katalanischen Verein, der Menschenpyramiden errichtet. Wir erlernten die Technik des Kletterns und waren schlussendlich Teil einer dreistöckigen Pyramide. Um das zu feiern, wurden wir von einigen „Castellers“ geschnappt und in die Luft geworfen, denn das war eine Tradition, wie wir später erfuhren, und definitiv eines meiner Highlights in Spanien. Außerdem besuchte ich andere Freiwillige in Vic, wir tanzten in einer hauptsächlich von Erasmus-Studenten besuchten Bar, wo die verschiedensten Nationalitäten aufeinander trafen,  bis in die Morgenstunden, um am folgenden Tag bei brütender Hitze eine Wanderung zu machen und schlussendlich am Abend zurück nach Hause zu trampen.

Wir wanderten durch das Gebirge von Montserrat, machten Strandspaziergänge in Valencia und Tarragona, genossen Sonnenuntergänge über den Dächern von Barcelona und Girona und bestiegen den Hausberg (besser gesagt den Haushügel) von Manresa. Und so ging – schneller als gedacht – mein ESK-Freiwilligendienst mit all seinen Höhen und Tiefen zu Ende. Mit viel mehr Gepäck als bei meiner Ankunft, Koffern vollgestopft mit Erinnerungen, neu erworbenen Sprachkenntnissen und unvergesslichen Momenten trat ich die Heimreise an und war mir sicher: Diese Zeit werde ich so schnell nicht mehr vergessen!

aha-Tipp

In unserer aha Home Edition – welt weit weg erzählen Jugendliche von ihren Auslandserfahrungen und ihren Erlebnissen bei Weltreisen oder beim ESK-Freiwilligendienst. Alle Termine findest du unter www.aha.or.at/aha-home-edition-wwweg